Notizen unserer Begegnungsreise
nach Moldau
vom 22.05 - 29.05.2002
Die Teilnehmer waren: Michael
Braun, Ralf Schäfer, Bela Scvortova und Victor Tanasciuc
Mittwoch, 22.05.: Wir fliegen mit einem Stopp in Wien (ab da
90 min. Flug) nach Chisinau. Victor, der schon Tage zuvor angekommen
ist, nimmt uns in Empfang. Der Flughafen ist die erste Überraschung:
er ist nagelneu und sehr gepflegt, anders, als wir es erwartet haben.
Über die "Prachtstraße" von Chisinau fahren wir dann zur privaten
Unterkunft, die Victor für uns organisiert hat. Dort angekommen, werden
wir mit einem Essen aus lokalen kulinarischen Spezialitäten begrüßt.
Den Rest des Nachmittags verbringen wir mit einer Stadtführung, begleitet
von der deutschsprachigen Führerin "Miss Eli". Die Architektur von
Chisinau ist meist osteuropäisch, d.h., Plattenbauten beherrschen
das Stadtbild. Doch dank der vielen Baumalleen (fast jede Strasse
ist davon gesäumt) und zahlreichen Parks, gewinnt die Stadt für uns
einen zunehmend positives Bild. Am Ende der Stadtführung arrangiert
unsere Stadtführerin noch einen Besuch beim deutschen Kulturzentrums
"Hoffnung", wo wir mit einem deutschen Lied begrüßt werden.
Donnerstag, 23.05.: Wir
fahren zum Kinderheim "Nummer 2", dem größten in ganz Moldau. Das
Heim beherbergt 710 Kinder, ist aber für nur 430 ausgelegt. Die Kinder,
im Alter zwischen 7 und 18 Jahren, sind entweder Waisen, von den Eltern
verlassen, oder Straßenkinder. Die Gebäude und die ganze Ausstattung
sind sehr erneuerungsbedürftig und wir bedauern die Kinder, die hier
ihr Leben fristen müssen. Quasi als Soforthilfe spenden wir eine größere
Ladung Seife und Shampoo. Als Besuchsgeschenk bringen wir den Kindern
statt Süßigkeiten eine größere Ladung Seife und Shampoo, was viel
nötiger gebraucht wird.
Anschließend werden wir in der deutschen Botschaft von Frau Lochner
empfangen. In einem herzlichen Gespräch erfahren wir vieles über Moldau
und sprechen auch über unsere geplanten Aktivitäten.

Am Nachmittag fahren wir dann mit dem orthodoxen Priester Vasile nach
Costesti, wo wir die Kirche und den örtlichen Friedhof besuchen. Die
Kreuze dort sind aus Metall und blau bemalt - völlig anders als bei
uns. Die Fahrt geht danach hinaus durch die malerische Hügellandschaft
auf die Felder, zu einem Bauern, der Land von einer ehemaligen Kolchose
erworben hat und jetzt 3 ha Ackerland bebaut. Er bietet uns seine
landwirtschaftlichen Produkte (Wein, Käse, Wurst, Brot) zum Probieren
an und schildert uns seine Probleme mit der Produktion und Vermarktung.
Im Anschluß daran treffen wir Freunde in einem Naherholungszentrum
an einem künstlichen See und essen und plaudern bis in den Abend.

Freitag, 24.05.: Wir fahren zum
Polytechnikum, der Technischen Universität Moldau (TUM). Dort treffen
und sprechen wir Herrn Igor Mardare (Fakultät für Radioelektronik
und Telekommunikation). Es folgt ein Rundgang und eine Führung durch
die Labors und Lehrräume. Es wird uns klar, wie schwierig es ist,
mit geringsten Mittel den Studenten eine zumindest ausreichende Bildung
zu garantieren. Es fehlt neben vielem anderem vor allem das Geld für
Laborausrüstung und Computer.
Im Anschluß daran besuchen wir die Siemens-Niederlassung Moldau (Dr.
Putilin), wo wir sehr freundschaftlich aufgenommen werden und über
mögliche Projekte reden. Nachmittags fahren wir in Begleitung einer
Journalistin nach Budesti (ca. 5000 Einwohner), wo uns die Bürgermeisterin
empfängt. Zuerst führen wir ein längeres Gespräch mit ihr, in dem
sie uns die prekäre Situation ihrer Gemeinde und des ganzen Landes
schildert. Dann besuchen wir einen Kindergarten und ein Behindertenheim,
wo bereits erfolgreich Renovierungsmaßnahmen durchgeführt werden konnten.
Um uns aber auch die weiterhin existierende Not zu zeigen, gehen wir
noch zu einer Bauernfamilie, die unter kaum vorstellbaren Bedingungen
leben muß (das Fehlen von fließend Wasser wäre dabei noch das geringste
Problem) und wir uns 200 Jahren zurückversetzt fühlen.
Wie kontrastreich Moldau ist, erleben
wir auch wieder am Abend: wir gönnen uns etwas Kultur in der Oper
von Chisinau und hören "Tosca" von Puccini
.
Samstag, 25.05.: Heute
geht die Fahrt nach Süden. In Comrat, dem Hauptort von Gagausien,
legen wir eine erste Fotopause ein. Die Stadt hat kaum 30.000 Einwohner,
ist aber das politische und kulturelle Zentrum einer ganzen ethnischen
Gruppe. Es ist der erste Ort, wo wir noch eine überlebensgroße Lenin-Statue
finden können.

Als wir einige Zeit später in Cahul (Stadt
ca. 56.000 Einwohner, Distrikt ca. 200.000 Einwohner) eintreffen,
empfängt uns der "Wirtschaftsminister" des Distrikts. Er erzählt uns
kurz von seinen laufenden Projekten, insbesondere von der Errichtung
einer Freihandelszone sowie vom Bau eines Hafens und einer Raffinerie
an Moldawiens Donauküste (ca. 800 m lang!). Mit ihm zusammen geht
es dann zum Ort Crihana Veche (6 km südlich von Cahul, 4.500 Einwohner),
wo wir den Bürgermeister und eine Gemeindedelegation treffen. Im Rathaus
findet eine Art Podiumsdiskussion mit Landwirten über Probleme und
Möglichkeiten der örtlichen Agrarbetriebe statt. Wir erleben einen
kaum erwarteten Ideenreichtum und hören erfreut die vielen konstruktiven
Vorschläge der Bauern zur Verbesserung ihrer eigenen Lebenssituation.
Das "einzige" Problem besteht darin, dass sie auf Hilfe und Unterstützung
aus Westeuropa hoffen und angewiesen sind.
Es folgt ein Besuch der Schule (Führung durch die Rektorin) und eine
Besichtigung des örtlichen Heimes für behinderte Waisenkinder. Wiederum
zur Soforthilfe spenden wir einen größeren Geldbetrag zur Beschaffung
von Rohmaterialien (Stoffe, Stickzeugs, Garn etc.) für die Anfertigung
von verkäuflichen Handarbeiten.
Dann lädt uns der Priester der Gemeinde in seine Kirche ein, wo eine
Messwein-Probe stattfindet - lecker!
Schon etwas müde geht die Fahrt dann Richtung rumänische Grenze, wo
wir riesige Fischteiche besichtigen. Die Suche nach einem Zugang zum
Grenzfluß Prut bleibt wegen urwaldartiger Vegetation erfolglos - das
Gebiet würde einen wunderbaren Nationalpark abgeben! Der Tag endet
mit einem Besuch des örtlichen Sanatoriums (500 Betten) in Cahul.
Schwefelquellen ermöglichen hier einen beachtlichen Kurbetrieb. Spät
am Abend treten wir die Rückfahrt nach Chisinau an und kommen trotz
der zahlreichen Schlaglöcher zum Glück heil daheim an.
Sonntag, 26.05.: Wir treffen
einige unserer Freunde und fahren nach Norden zur Besichtigung der
Schlucht von Orhei Vec sowie der dortigen Felsenklöster. Es ist das
schönste Naturereignis, das wir bisher in Moldau zu sehen bekommen
haben. Die Fahrt geht dann weiter zum Kloster Curchi, wo uns der Abt
nach einer Führung zum Mittagessen einlädt. Drei Mönche singen für
uns orthodoxe Choräle. Da heute unser "Kloster-Tag" ist, geht es anschließend
noch zu den Klöstern von Thiganeshti und Capriana.
Am Abend treffen wir uns mit einem Mediziner und einem Pharmakologen
zur Kontaktaufnahme.
Montag, 27.05.: Gleich
am Morgen besuchen wir die Poliklinik von Chisinau, wo wir Neurochirurgen
Prof. Zapuhlîh treffen. Es folgt ein Rundgang durch die Klinik sowie
Besichtigung zweier Operationssäle (Wir sind live dabei bei einer
Gehirn-OP!). Es ist erschreckend, unter welchen Bedingungen sich die
Patienten behandeln lassen müssen und mit wie wenig Gerätschaft die
Ärzte hier ihren Dienst verrichten müssen.

Im Anschluß daran findet ein Kurzbesuch
beim nationalen Pharmainstitut (bei Prof. Safta) statt. Wir lernen
dort ein wenig darüber, wie in Moldau die Versorgung mit Arzneimitteln
erfolgt.
Die dann folgende Pause nützen wir zu einer Fahrt in die Kellerei
von Cricova, der größten in ganz Moldau. Die unterirdischen Keller
haben eine Länge von ca. 80 km und beeindrucken uns sehr. Wir besichtigen
einen Teil davon und nutzen die Gelegenheit zu einer Führung mit Weinprobe.
Der ausgeschenkte Wein ist von hervorragender Qualität.
Zurück in Chisinau besuchen wir dann die Kinderklinik "Nr. 3", wo
wir ebenfalls einen Rundgang machen. Auch hier sind wir wieder geschockt
von den herrschenden Zuständen und spenden zur Soforthilfe eine größere
Ladung an Spritzen und Injektionsnadeln.
Dienstag, 28.05.: Die Fahrt
geht nach Losova, dem Heimatort unseres Fahrers. Die Stadt hatte früher
12.000 Einwohner, wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation
aber jetzt nur noch ca. 9000. Wir besuchen die Schule, die ebenfalls
sehr baufällig ist . Dennoch gibt es einige Funken Hoffnung: es existieren
auch bereits renovierte Teile, z.B. die Sporthalle. Der örtliche Kindergarten
musste leider geschlossen werden, weil das Dach undicht ist.

Alsdann machen wir Spontanbesuche bei Dorfbewohnern, wo wir wiederum
herzlich zur Weinprobe im Keller eingeladen werden. Doch auch der
Wein kann die Wahrnehmung der herrschenden Armut nicht verhindern.
Einige Kilometer außerhalb treffen wir schließlich einen Förster,
der uns zum gemeinsamen Mittagessen im Freien einlädt. Wir genießen
die freie Natur am Waldesrand, denn Wald ist in dem Agrarland Moldau
eine echte Seltenheit.
Mittwoch, 29.05.: Am Morgen
besuchen wird den überaus bunten und lebhaften Markt im Zentrum (ich
halte meinen Geldbeutel fest). Nach der Rückkehr heißt es leider Kofferpacken
und Fahrt Richtung Flughafen.
Ein Zwischenstopp führt uns noch kurz zum städtischen Zoo, wo wir
nur einen ärmlichen Restbestand an Tieren antreffen. Dann geht es
endgültig zum Flughafen, von wo wir wieder via Wien den Rückflug antreten.
Wir kehren, tief beeindruckt von Moldau, zurück in die Heimat. Wir
nehmen insbesondere mit, wie trotz der allgemein schwierigen Lebensbedingungen
die Menschen ihre Herzlichkeit und Gastfreundschaft bewahrt haben.
Ralf Schäfer